Zweites Vatikanum
Segen oder Fluch?

Einleitung

Die Einleitung soll dem Leser zugleich als Leitfaden für das Studium dieses Werkes dienen. Es ist in drei Teile gegliedert, welche die drei großen Themenbereiche widerspiegeln, die das priesterliche Wirken von Pfarrer Milch in Wort und Schrift kennzeichnen:

1. Seine Glaubensverkündigung und die Maßstäbe, die er in der Seelsorge setzte.

2. Seine Auseinandersetzung mit dem Zweiten Vatikanischen Konzil, mit den aus diesem hervorgegangenen Reformen sowie dem nachkonziliaren Erscheinungsbild der Kirche.

3. Die geistige Ausrichtung und Leitung der von ihm gegründeten Gebets- und Sühnegemeinschaft actio spes unica sowie die Aufklärung der Gläubigen über die Wurzeln der heutigen Kirchenkrise.


Zu 1: Die Glaubensverkündigung sowie die Maßstäbe, die dieser Priester in der Seelsorge setzte, sind Gegenstand des ersten Kapitels, das nach dem XI. Kapitel das umfangreichste ist. Trotzdem gebührt ihm, gemessen an seiner Bedeutung, im Vergleich mit dem zweiten Teil des Werkes ein noch größeres Gewicht. Wenn wir uns hier eine Beschränkung auferlegten, dann geschah das aus doppeltem Grund: Erstens wenden wir uns mit den Ausführungen dieses Kapitels auch an Außenstehende, weshalb es keinen erdrückenden Umfang haben sollte. Wir wollen nämlich einem am katholischen Glauben interessierten Menschen einen überschaubaren Leitfaden bieten, der thematisch einen Bogen spannt vom Ansichtigwerden der Kirche bis zum Tod. Der zweite Grund für die Beschränkung des Umfangs dieses Kapitels besteht darin, daß es noch andere Quellen gibt, aus denen der an der Glaubensverkündigung von Pfarrer Milch Interessierte schöpfen kann. Zum einen verfügt die actio spes unica über ein großes Angebot an Kassetten von Predigten und Reden dieses Priesters unter Einschluß eines Jahreszyklus, der zu jedem Sonn- und Feiertag des Kirchenjahres eine Predigt enthält,* zum anderen habe ich eine repräsentative Auswahl seiner Sonntagsbriefe in sechs Jahrgängen A-F sowie einen kleinen Gebetsband mit von ihm verfaßten Gebeten zusammengestellt, die ebenfalls bei der actio spes unica erhältlich sind. Auf diese Quellen wird in dem Werk an zahlreichen Stellen hingewiesen, so daß der Leser, je nach Neigung, diesen oder jenen Schwerpunkt hinsichtlich Vertiefung und Erweiterung selbst setzen kann.

Da sich die Kritik von Pfarrer Milch am vorkonziliaren Erscheinungsbild der Kirche in der Hauptsache auf Mängel in der damaligen Seelsorge bezieht, wurde ein kurzes Kapitel über diese Problematik dem ersten Teil hinzugefügt.

Zu 2: Der zweite Teil behandelt, wie gesagt, die Auseinandersetzung von Pfarrer Milch mit dem Zweiten Vatikanischen Konzil sowie mit den aus diesem hervorgegangenen Reformen. Ausführungen über seine Kritik am nachkonziliaren Erscheinungsbild der Kirche findet der Leser teils im zweiten, teils im dritten Teil des Werkes.

Bekanntlich erlebte die abendländische Welt in der Neuzeit eine Revolution von schicksalhafter Bedeutung, nämlich die Französische Revolution von 1789. Ihre Prinzipien, die man gemeinhin durch die Schlagworte Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit kennzeichnet, prägten das Gesicht aller modernen westlichen Staaten. Die katholische Kirche erlebte zum ersten Mal in ihrer Geschichte ebenfalls eine Revolution, die sie in eine schwere Krise stürzte, wenngleich dieses Geschehen von den meisten bis heute nicht als Revolution erkannt worden ist. Wir meinen die Revolution, die sich auf dem Zweiten Vatikanischen Konzil vollzog, dessen Beschlüsse, bzw. deren Umsetzung, das Erscheinungsbild der Kirche total veränderten. Nebenbei bemerkt, hatte der Geist der Französischen Revolution erheblichen Einfluß auf dieses Konzil, was den namhaften Konzilsvater Leo Kardinal Suenens zu der Bemerkung veranlaßte, daß dieses Konzil das 1789 der Kirche gewesen sei.

Worin besteht denn nun das Revolutionäre dieses Konzils? Zunächst einmal darin, daß es ein neues Selbstverständnis der Kirche formulierte, das mit der überlieferten Lehre der Kirche über sich selbst nicht zu vereinbaren ist. Aber warum veränderte denn das Konzil das Selbstverständnis der katholischen Kirche?

Weil es sowohl das Verhältnis der Kirche zur Welt als auch ihr Verhältnis zu den anderen Religionen in grundlegender Weise verändern wollte. Diese zweifache Umorientierung war jedoch auf der Grundlage des traditionellen Selbstverständnisses der Kirche nicht möglich und deshalb mußte zunächst dieses Selbstverständnis verändert werden. Das ist die logische Grundstruktur der konziliaren Revolution, die wir bei unserer Analyse einschlägiger Konzilsdokumente herausarbeiten und an der man erkennen kann, daß die Selbstverständnis-Problematik vorrangig zu behandeln ist.

Warum aber nimmt, so könnte man fragen, diese Problematik einen so großen Raum in einem Werk über Pfarrer Milch ein, wo er doch keine systematische Untersuchung der Konzilsdokumente vorgelegt hat. Lediglich einer seiner Vorträge beschäftigt sich eingehend mit dem ersten Teil von Gaudium et spes („Die pastorale Konstitution über die Kirche in der Welt von heute“), ansonsten beschränkte er sich in seinen Reden auf einzelne Punkte der Konzilstexte und auch das geschah nur sporadisch.

Dennoch ist seine Leistung auf diesem Gebiet außerordentlich groß. Er wies nämlich immer wieder darauf hin, daß hinter den Irrlehren, die seit dem Konzil den Innenraum der katholischen Kirche beherrschen, eine Denkweise steht, die er die additistische Denkweise nannte. Ihr Grundfehler besteht darin, daß sie das in Wahrheit unteilbare Glaubensganze als teilbar annimmt, wodurch ihre Vertreter zu der Fehlvorstellung gelangen, das Glaubensganze bestehe aus einzelnen Elementen bzw. es setze sich aus diesen Elementen additiv zusammen. Indem Pfarrer Milch diese Vorstellung vehement bekämpfte, wurde er zu einem großen Verteidiger der Glaubenseinheit, und er wies uns zugleich den Weg für unsere Untersuchung einschlägiger Konzilstexte. Inspiriert durch seine Idee, stellten wir uns nämlich die Aufgabe, diese Texte darauf hin zu prüfen, ob sich die additistische Denkmethode in ihnen widerspiegelt und ob sie der konziliaren Revolution den Weg ebnete.

Wir werden beweisen, daß das tatsächlich der Fall ist, und indem wir diesen Nachweis führen, zeigen wir zugleich, daß dieser Priester mit einer einzigartigen intuitiven geistigen Kraft den springenden Punkt traf, jenen Punkt, an dem man den Hebel ansetzen muß, um das neue, konziliare Selbstverständnis der Kirche und dessen Konsequenzen, insbesondere den konziliaren Ökumenismus, aus den Angeln zu heben.

Es gibt aber noch einen zweiten Grund, warum ein Werk über das priesterliche Wirken von Pfarrer Milch das Konzil ausführlich thematisieren muß. Er gründete nämlich in nachkonziliarer Zeit jene Gebets- und Sühnegemeinschaft actio spes unica, trat mit zahlreichen öffentlichen Glaubenskundgebungen hervor, klärte dabei mit eindrucksvollen Predigten und Reden die Gläubigen über den Niedergang des Erscheinungsbildes der katholischen Kirche auf und gab dem Konzil die Hauptschuld an der Kirchenkrise („Der Skandal, vergessen Sie es nie, ist das sogenannte Zweite Vatikanische Konzil.“*). Es ist deshalb unumgänglich, den Nachweis für die Richtigkeit dieser Aussage durch eine sorgfältige Analyse wichtiger Konzilsdokumente zu führen, was bei den genannten Veranstaltungen allenfalls in Ansätzen möglich war. Nur vor dem Hintergrund der Beschlüsse dieser Bischofsversammlung und ihrer verheerenden Folgen, kann man den einzigartigen Einsatz dieses Priesters für die Rettung der Kirche verstehen und würdigen!

Unsere diesbezüglichen Untersuchungen bedürfen der Vorbereitung, und zwar sowohl auf der philosophischen wie auch auf der theologischen Ebene. Zum einen gilt es nämlich, die additistische Denkmethode zu kennzeichnen und ihre Falschheit zu beweisen, was im III. Kapitel geschieht. Zum anderen gilt es, die erforderlichen theologischen Grundlagen zu schaffen, weil man natürlich die Lehre des Konzils über die Kirche mit ihrer diesbezüglichen überlieferten Lehre nur vergleichen kann, wenn man letztere in ihren Grundzügen kennt. Diese Grundlagen erarbeiten wir im IV. Kapitel, das wir auch einem Leser empfehlen möchten, der nur die Lehre der katholischen Kirche über sich selbst näher kennenlernen will.

In den Kapiteln V- VIII analysieren wir die Konzilsdokumente Lumen gentium („Die dogmatische Konstitution über die Kirche“), Gaudium et spes („Die pastorale Konstitution über die Kirche in der Welt von heute“), Unitatis redintegratio („Das Dekret über den Ökumenismus“), Nostra aetate („Die Erklärung über das Verhältnis der Kirche zu den nichtchristlichen Religionen“) und Dignitatis humanae („Die Erklärung über die Religionsfreiheit“).

Aus den genannten Gründen steht dabei zunächst das konziliare Selbstverständnis der Kirche im Vordergrund und es wird sich zeigen, daß das Konzil sogar in mehrfacher Hinsicht mit ihrem traditionellen Selbstverständnis gebrochen hat. Bemerkenswerterweise stehen diese Abweichungen von der immerwährenden Lehre der Kirche nicht nebeneinander, sondern sie greifen ineinander und stehen durchweg im Zeichen der Preisgabe des katholischen Absolutheitsanspruches, was freilich nicht offen eingestanden wird. Im Gegenteil, es wird eine Übereinstimmung mit der überlieferten Lehre vorgespiegelt, die in Wirklichkeit nicht existiert. Doch davon mag sich der Leser insbesondere im V. Kapitel überzeugen, dessen Inhalte und Struktur wir nun kurz kennzeichnen:

Wir zeigen, daß die Kirchenkonstitution Lumen gentium eine Veränderung des Selbstverständnisses der katholischen Kirche zunächst durch eine sich in mehreren Schritten vollziehende Distanzierung derselben von Christus vollzieht. Dabei greift dieses Konzilsdokument gemeinsam mit dem Ökumenismusdekret Unitatis redintegratio die Heiligkeit der Kirche an, also eine ihrer vier Wesenseigenschaften sowie ihre Heilsnotwendigkeit, indem sie diese Eigenschaften mit widersprüchlichen Aussagen ins Zwielicht rücken. Indem Unitatis redintegratio auch protestantischen Gemeinschaften die Bezeichnung Kirche zuerkennt, unterminiert das Konzil darüber hinaus die traditionelle Lehre, daß die katholische Kirche die einzige Kirche Gottes ist, wobei allerdings die Bezeichnung Kirche den in der apostolischen Sukzession stehenden orthodoxen Gemeinschaften von der katholischen Kirche aus Gründen zuerkannt wurde, die wir darlegen.

Unser besonderes Augenmerk bezüglich des konziliaren Selbstverständnisses der Kirche gilt der sogenannten subsistit-in-Lehre von Lumen gentium. Mit ihr sprengt das Konzil die Identität der katholischen Kirche mit der Kirche Jesu Christi auf und vollzieht dadurch einen folgenschweren Bruch mit der immerwährenden Lehre der Kirche, die zuletzt noch Pius XII. sowohl in seiner großen Kirchenenzyklika Mystici corporis Christi als auch in seiner Enzyklika Humani generis bekräftigt hatte. In engem Zusammenhang mit diesem Traditionsbruch steht die ebenfalls von Lumen gentium vertretene Elemente-Ekklesiologie, die wir als falsch erweisen, weil sie Ausdruck der irrigen additistischen Denkweise ist. Dabei findet die Kritik von Pfarrer Milch an der Elemente-Ekklesiologie eine Würdigung.

Im Anschluß daran thematisieren wir einen weiteren Angriff der Kirchenkonstitution auf das traditionelle Selbstverständnis der katholischen Kirche, der in der Uminterpretation des Volk-Gottes-Begriffes besteht. Wie sich zeigen wird, hat Lumen gentium nämlich nicht nur die anderen unverzichtbaren Selbstbeschreibungen der Kirche - die Kirche als der mystische Leib Christi und als die Braut Christi - an den Rand gedrängt und sich einseitig auf die Volk-Gottes-Beschreibung derselben konzentriert, sondern es hat vor allem einen Volk-Gottes-Begriff eingeführt, der von der immerwährenden Lehre der Kirche in gravierender Weise abweicht, wobei die Art der Abweichung auf den konziliaren Ökumenismus geschlüsselt ist.

Die Brüche mit der überlieferten Lehre der Kirche über sich selbst, die sich das Konzil zu schulden kommen ließ, gehen aber noch weiter. Der Leser wird Zeuge, daß Lumen gentium und Gaudium et spes mit schillernden, der Interpretation bedürftigen Formulierungen an den Grundfesten der katholischen Heils- und Erlösungslehre rütteln, was man erkennt, wenn man die betreffenden Äußerungen im Zusammenhang miteinander betrachtet, und er wird wohl mit Erstaunen vernehmen, daß die verbindliche Interpretation, die Johannes Paul II. für diese Formulierungen liefert, keineswegs mit der überlieferten Lehre der Kirche zu vereinbaren ist. In diesem Zusammenhang erörtern wir auch die problematische Bestimmung der Kirche als eines Sakraments, die sich in Lumen gentium findet.

Den Abschluß des V. Kapitels bildet die Kritik von Pfarrer Milch an Gaudium et spes.

Die Veränderung des Selbstverständnisses der Kirche war, wie bereits angedeutet, für das Konzil wesentlich Mittel zum Zweck, sie war nämlich das Mittel, die Verhältnisse der Kirche zur Welt und zu den anderen Religionen auf eine neue Grundlage stellen zu können. Die Preisgabe des katholischen Absolutheitsanspruches, welche das konziliare Selbstverständnis der Kirche kennzeichnet, ermöglichte es in der Tat, diese Verhältnisse neu und in einer der traditionellen Lehre widersprechenden Weise zu bestimmen.

Die Neubestimmung des Verhältnisses zur Welt ist insbesondere Gegenstand von Gaudium et spes ( V. Kapitel) und von Dignitatis humanae (VIII. Kapitel), wobei sich in Gaudium et spes die Preisgabe des katholischen Absolutheitsanspruches in der von Pfarrer Milch bekämpften Beitragsideologie spiegelt.-


Wie bei unseren Überlegungen zur Ekklesiologie des Konzils, lassen wir es auch bei unseren Untersuchungen zum konziliaren Ökumenismus nicht dabei bewenden, diesen der überlieferten Lehre gegenüberzustellen, sondern sind bestrebt nachzuweisen, welche Lehre richtig und welche falsch ist.

Deshalb setzen wir uns im ersten Teil des VI. Kapitels, bevor wir im einzelnen auf das Ökumenismusdekret des Konzils eingehen, mit dem Grundgedanken des konziliaren Ökumenismus auseinander, der sich in der These von den Gemeinsamkeiten aller christlicher Religionsgemeinschaften verdichtet. Obwohl der Terminus Gemeinsamkeiten im Ökumenismusdekret nicht vorkommt, steht er hinter der neuen Konzeption, ja er ist der Nerv derselben, was Johannes Paul II. mit folgenden Worten bestätigt:

„Papst Johannes XXIII. ... pflegte zu sagen, daß das, was uns als Christen trennt, viel geringer ist als das, was uns eint. Diese Aussage enthält das Wesen ökumenischen Denkens. Das Zweite Vatikanische Konzil ist dieser Richtung gefolgt ... Das, was uns eint, ist größer als das, was uns trennt: Die Dokumente des Konzils konkretisieren diese grundlegenden Gedanken von Johannes XXIII. ... Es existieren daher die Grundlagen für einen Dialog, für eine Ausdehnung des Raumes der Einheit. Sie muß parallel zur Überwindung der Spaltungen verlaufen, welche in hohem Maße das Ergebnis der Überzeugung sind, im ausschließlichen Besitz der Wahrheit zu sein.“*

Die Lehre von den Gemeinsamkeiten aller christlicher Denominationen ist ein typisches Produkt der additistischen Denkweise, und man kann den konziliaren Ökumenismus nur dann an der Wurzel treffen, wenn man diese scheinbar plausible These widerlegt. Der Schlüssel zur Lösung der Gemeinsamkeits-Problematik liegt, wie wir nachweisen werden, in der Unterscheidung zwischen der Ebene der Religionssysteme und der Ebene der Personen, die sich zu den christlichen Religionsgemeinschaften bekennen. Es wird sich zeigen, daß Unitatis redintegratio diese Unterscheidung vermissen läßt, ja sie sogar durch eine Vermischung von System- und Personenebene vernebelt.

Im Gegensatz zum traditionellen, strikt personenbezogenen Ökumenismus, geht es beim konziliaren Ökumenismus nicht nur um Personen, sondern auch um die anderen christlichen Religionssysteme. Es ist geradezu das Spezifikum dieses Ökumenismus, daß er nicht ausschließlich auf die nicht-katholischen Christen gerichtet ist, sondern auch, ja sogar primär, auf deren Religionssysteme.

Der traditionelle Ökumenismus der Kirche steht diesen Systemen eindeutig ablehnend gegenüber.

Für ihn sind es irrtumsbehaftete Systeme, die in Opposition zum kirchenstiftenden Willen Christi gegründet wurden und die er deshalb ablehnt. Konsequenterweise verfolgt der traditionelle Ökumenismus das Ziel, die Menschen, die sich zu diesen Systemen bekennen, von ihrer irrigen Anhängerschaft an sie abzubringen und sie zum Eintritt in die einzig wahre Kirche zu bewegen.

Der konziliare Ökumenismus widerspricht dieser Auffassung. Er verwirft keineswegs die anderen Religionssysteme, die in Gegnerschaft zur Kirche Gottes gegründet wurden, sondern er bringt ihnen Achtung entgegen und ist bestrebt, Beziehungen zu ihren Vertretern zu knüpfen und diese immer weiter auszubauen.

Weil der konziliare Ökumenismus wesentlich systembezogen ist, muß zu seiner Beurteilung prinzipiell geklärt werden, wie das Verhältnis zwischen dem Wahrheitssystem der Kirche Gottes und den irrtumsbehafteten Systemen zu denken ist. Wer dieses Problem lösen will, kommt nicht um die Beantwortung der Fragen herum, was ein solches System überhaupt ist und vor allem, was alle Aussagen eines christlichen Lehrsystems miteinander verbindet. Und genau hier stoßen wir auf die fatale Schwachstelle in der Argumentation gegen den konziliaren Ökumenismus: Ihr fehlt bisher eine Systemtheorie!

Wenn man aber nicht weiß, was ein christliches Religionssystem eigentlich zum System macht, wodurch es über eine bloße Menge von Aussagen erhoben ist, und wenn man nicht klären kann, auf welche Weise alle Aussagen desselben unlösbar miteinander verbunden sind, dann kann man auch nicht diese Zusammenhänge in der Argumentation gegen die additistische Denkweise, die dem konziliaren Ökumenismus zugrunde liegt, geltend machen; damit fehlt die Basis, ihn im entscheidenden Punkt zu widerlegen. Deshalb haben wir im III. Kapitel die philosophischen Grundlagen gelegt, die uns nun befähigen, begründet zu dieser Problematik Stellung zu nehmen.

Wir verkennen natürlich nicht, daß es viele Glaubensaussagen gibt, die sich in der Lehre der Kirche ebenso finden wie in den Lehren der protestantischen Denominationen, auf die wir unsere Überlegungen zum Verhältnis zu den anderen christlichen Religionsgemeinschaften beschränken. Die Frage aber ist, ob diese gleichlautenden Aussagen Gemeinsamkeiten der betreffenden Religionssysteme sind. Um darüber Klarheit gewinnen zu können, muß man zunächst einmal den Begriff Gemeinsamkeit mit Bezug auf ein christliches Religionssystem definieren, denn dieser Begriff ist nur scheinbar klar!

Gestützt auf diese Begriffserklärung sind wir dann in der Lage zu beweisen, daß diejenigen Glaubensaussagen, die sich sowohl im katholischen als auch im protestantischen Lehrsystem finden, entgegen einer verbreiteten Ansicht, keine Gemeinsamkeiten dieser Systeme darstellen. Man darf sich eben nicht von dem Trugbild gleichlautender Aussagen täuschen lassen und sie als Teilidentitäten jener Systeme mißdeuten!

Wie bereits der Schluß des obigen Zitates von Johannes Paul II. erkennen läßt, steht der konziliare Dialog im Zeichen der Gemeinsamkeitsideologie, die mit der Preisgabe des katholischen Absolutheitsanspruches verbunden ist. Dies gesteht das Ökumenismusdekret freilich nicht ein, im Gegenteil, es verlangt von einem Vertreter der katholischen Kirche, daß er im ökumenischen Dialog den Glauben unverkürzt vorträgt, wozu der Absolutheitsanspruch gehört, und zwar als das Band, das alle einzelnen Glaubenswahrheiten umschließt. Andererseits aber stellt, wie wir sehen werden, Unitatis redintegratio an diesen Vertreter der katholischen Kirche im ökumenischen Dialog Forderungen, die ihn zwingen, den Absolutheitsanspruch aufzugeben, wodurch das Konzil ihn in einen Widerspruch treibt, dem er nur entgehen kann, wenn er sich auf eine Seite der an ihn gestellten Forderungen schlägt und die andere Seite ignoriert.

Hier ist nun der Ort, an dem wir die Kritik von Pfarrer Milch am ökumenischen Dialog erörtern, in deren Mittelpunkt die Preisgabe des katholischen Absolutheitsanspruches steht, was vor allem im Zusammenhang mit seiner Unterscheidung zwischen der Suche in der Wahrheit - welche die katholische Suche ist - und der Suche nach der Wahrheit - welche die Suche der Progressisten ist - deutlich wird.

Die Hochschätzung der anderen christlichen, also auch der protestantischen Denominationen, auf der Grundlage der von der additistischen Denkweise inspirierten Gemeinsamkeitsideologie, muß man im Zusammenhang mit dem erklärten Ziel des Konzils sehen, das Unitatis redintegratio mit seinen ersten Worten wie folgt zum Ausdruck bringt: „Die Einheit aller Christen wiederherstellen zu helfen ist eine der Hauptaufgaben des Heiligen Ökumenischen II. Vatikanischen Konzils.“

Bravo, wird man sagen, welch eine löbliche Absicht. Aber dieser Satz stellt eine glatte Irreführung dar, wenn man unter der wiederherzustellenden Einheit das versteht, was die Kirche durch alle christlichen Jahrhunderte darunter verstand, nämlich die Einheit in der katholischen Kirche. Dieses Verständnis muß doch wohl ein unbefangener Leser bei einem Konzil voraussetzen, das zudem noch an zahlreichen Stellen seine Traditionsverbundenheit betont. Darüber hinaus bestätigt der bestimmte Artikel - die Einheit - dieses Verständnis ebenso wie der Terminus wiederherstellen. Eine Wiederherstellung der Einheit aller Christen ist die Einheit in der katholischen Kirche, da sie ja bis in das Mittelalter hinein die Einheit aller Christen war. Aber von dieser Einheit wendet sich Unitatis redintegratio ab und damit wendet es sich von der Rückkehr-Ökumene ab, die wir kennzeichnen. An ihre Stelle setzt das Konzil eine Koexistenz-Ökumene, was sich vor allem daran zeigt, daß es sich der Ökumenischen Bewegung anschließt, deren Geist und Entwicklung wir in groben Zügen dem Leser vor Augen stellen. Diese war insofern in Opposition zur katholischen Kirche gegründet worden, als sich ihre Initiatoren weigerten, dem Ruf der vorkonziliaren Päpste nach Rückkehr der Dissidenten in die katholische Kirche zu folgen, weshalb die Ökumenische Bewegung seinerzeit vom kirchlichen Lehramt strikt abgelehnt wurde.

Die Einheit der christlichen Denominationen, welche diese Bewegung anstrebt, ist inhaltlich zwar weitgehend unbestimmt, sicher ist aber, daß sie nicht die Einheit in der katholischen Kirche ist. Das Revolutionäre des konziliaren Ökumenismus besteht zunächst einmal darin, daß das Konzil, indem es sich dieser Bewegung anschließt, sich zugleich deren Ziel zu eigen macht, eine Einheit der Christen außerhalb der katholischen Kirche anzustreben, und als Grundlage dieser Kehrtwende dient eben die Lehre von den Gemeinsamkeiten, die zugleich die Plattform bildet, „für eine Ausdehnung des Raumes der Einheit“, wie Johannes Paul II. in obigem Zitat sagt. Die „Ausdehnung des Raumes der Einheit“ durch Erarbeitung weiterer Gemeinsamkeiten einerseits und durch Überwindung des Trennenden andererseits, soll nach dem Willen des Konzils im ökumenischen Dialog erfolgen.

Für eine „Ausdehnung des Raumes der Einheit“ gibt das Konzil mit seiner Lehre von der Existenz einer Hierarchie der Glaubenswahrheiten einem Vertreter der katholischen Kirche im ökumenischen Dialog ein Instrument an die Hand, dem wir besondere Aufmerksamkeit schenken. Gewiß gibt es Glaubenswahrheiten, die zu dem Fundament des christlichen Glaubens in engerem Zusammenhang stehen als andere, aber von einer generellen Hierarchiesierung kann keine Rede sein. Diese unerlaubte Verallgemeinerung ist aber eher nebensächlich und sollte nicht das verdecken, womit die Lehre von der Hierarchie der Wahrheiten die Axt an die Wurzel des Glaubens legt. Nach Lehre der Kirche bezieht sich nämlich eine partiell mögliche Hierarchisierung der Glaubenswahrheiten ausschließlich auf die Glaubensinhalte und in keiner Weise auf deren Geltung. Hinsichtlich der Geltung gibt es keine Rangfolge, keine Abstufungen, keine Grade und kein Mehr oder Weniger, vielmehr wird für alle Glaubensinhalte derselbe Geltungsanspruch erhoben, nämlich der Anspruch auf absolute Geltung, der dem Glaubensganzen zukommt, von dem sie, als Aspekte desselben, unablösbar sind!

Bedenkt man das, so zeigt sich sofort die enorme Sprengkraft, welche die additistische Denkweise auf der Geltungsebene für den Glauben hat. Wenn sich die Glaubenswahrheit nämlich aus Teilen zusammensetzt, dann wird dadurch die Möglichkeit eröffnet, diesen Teilen jeweils einen höheren bzw. niedrigeren Verbindlichkeitsgrad zuzuordnen. Die additistische Denkweise löst also nicht nur auf der Ebene der Glaubensinhalte, sondern auch auf der Geltungsebene eine Qualität, hier nämlich die Beanspruchung absoluter Geltung für die Glaubensinhalte, auf, und ersetzt sie durch eine Quantität, nämlich durch Geltungsgrade, zumindest eröffnet sie die Möglichkeit dies zu tun.

Dies kann der Vertreter der katholischen Kirche nun dazu nutzen, um für den Protestantismus anstößige Glaubenswahrheiten abzuqualifizieren, sei es, daß er sie als unwichtig hinunterspielt, sie unter den Tisch fallen läßt, oder sie als eine bloße Standpunktssache deklariert.

Freilich zieht Unitatis redintegratio die Konsequenz, einem Standpunktsdenken das Wort zu reden, bzw. gewisse Glaubenslehren gering zu achten oder zu ignorieren, noch nicht. Die Vertreter des Revolutionsprinzips auf dem Konzil hätten keine Chance gehabt, die Zustimmung der Konzilsmehrheit für einen Text zu erhalten, der eine so offensichtlich antikatholische Position zum Ausdruck bringt. Im Gegenteil, es fordert im Art. 11 ausdrücklich „Treue zur Lehre der Kirche“. Letzteres würde aber bedeuten, daß ihr Vertreter im ökumenischen Dialog für alle katholischen Glaubenswahrheiten absolute Geltung erhebt. Würde er dieser Aufforderung Folge leisten, indem er von seinen Dialogpartnern die Anerkennung aller Glaubenswahrheiten der katholischen Kirche verlangt, dann würde er diesem Dialog ein jähes Ende bereiten und das soll er doch auf keinen Fall! Damit zeigt sich erneut: Unitatis redintegratio treibt einen Vertreter der katholischen Kirche, der von Rom beauftragt ist, den ökumenischen Dialog zu führen, in einen Widerspruch, den das Dekret wohlweislich nicht eingesteht, der aber in der Konsequenz des Textes liegt. Wo es in Wirklichkeit nämlich nur ein Entweder-Oder gibt, verlangt das Konzil von ihm ein Sowohl-als-Auch. Er ist also hin- und hergerissen zwischen zwei Forderungen, die er, wenn es mit rechten Dingen zugeht, nicht beide zugleich erfüllen kann.

Unser besonderes Augenmerk gilt dem Zusammenhang zwischen der existenzbedrohenden Krise, in welche die katholische Kirche in nachkonziliarer Zeit geraten ist und den Konzilstexten. Halbkonservative Kreise sind bekanntlich bestrebt, das Konzil und das nachkonziliare Rom von jeder Schuld an dem Niedergang des Erscheinungsbildes der Kirche Gottes freizusprechen. Um dieser Fehlbeurteilung entgegenzutreten, legen wir durchgängig Wert darauf, Zusammenhänge zwischen den Konzilsdokumenten und der nachkonziliaren Entwicklung aufzudecken. Im Zusammenhang mit Unitatis redintegratio kommen wir deshalb anschließend auf das „Kirchenmodell“ von Rahner/Fries zu sprechen, das unter dem Schlagwort „Einheit in versöhnter Verschiedenheit“ bekannt geworden ist und erörtern dabei auch die Verstrickung der Würzburger Synode in diese Konzeption. Anschließend diskutieren wir die sogenannte Communio Ekklesiologie in der Darstellung von M. Kehl, die sich heute in progressistischen Kreisen großer Zustimmung erfreut.

So notwendig die Kritik an diesen antikatholischen Kirchenmodellen auch ist, so trifft sie doch nicht die Hauptsache der innerkirchlichen Misere. Nicht derjenige trägt nämlich die Hauptschuld an ihr, der sich angesichts widersprechender Forderungen auf eine Seite schlägt, sondern derjenige, der widersprüchliche Forderungen stellt, und dieser Hauptschuldige ist das Konzil. Die Vorwürfe, die von halbkonservativer Seite an diejenigen gerichtet werden, die wie Rahner/Fries und M. Kehl die antikatholische Konzilslinie weiter ausziehen, lenken von der Hauptsache ab, wenn der Zusammenhang mit dem Konzil ausgeblendet bleibt.

Das VII. Kapitel ist der Ausdehnung des konziliaren Ökumenismus auf die nichtchristlichen Religionen gewidmet, welche die Konzilserklärung Nostra aetate vollzieht. Wir zeigen, daß auch hier die additistische Denkweise das methodische Instrument ist, mit dem das Konzil das Verhältnis der katholischen Kirche zu den anderen christlichen Denominationen auf eine neue Grundlage stellt. Den Zusammenhang dieses folgenschweren Dokuments mit der nachkonziliaren Entwicklung stellen wir her, indem wir mehrere kirchenamtliche Dokumente erörtern, vor allem die Antrittsenzyklika Redemptor hominis und die Enzyklika Redemptoris missio von Johannes Paul II. sowie das Dokument Das Christentum und die Religionen einer Internationalen Theologenkommission, das die Billigung von Kardinal Ratzinger fand. Daran schließen sich Erörterungen über die Wirkung von Nostra aetate auf die Mission an, wobei weitere kirchenamtliche Dokumente zur Sprache kommen, insbesondere das Dokument Dialog und Mission. Den Abschluß dieses Kapitels bildet ein Abschnitt in dem wir zeigen, daß Nostra aetate die Grundlage für das Weltgebetstreffen der Religionen in Assisi am 27. Oktober 1986 bildete, zu dem Johannes Paul II. eingeladen hatte.

Während Unitatis redintegratio und Nostra aetate das Verhältnis der Kirche zu den anderen Religionsgemeinschaften und Gaudium et spes ihr Verhältnis zur Welt zum Gegenstand haben, bezieht sich „Die Erklärung über die Religionsfreiheit“, Dignitatis humanae, die wir im VIII. Kapitel behandeln, auf beide Bereiche. T. Gallus SJ hat mit seinem an früherer Stelle zitierten Ausspruch recht, wenn er sagt: „Den Menschen zu gefallen war das Leitmotiv des Konzils.“ In der Tat hat insbesondere Dignitatis humanae der Welt und den anderen Religionen gefallen, allerdings - sagen wir es offen - um den Preis des Verrats an den Gottesrechten. Während die überlieferte Lehre der Kirche über die Freiheit in religiösen Dingen dadurch gekennzeichnet ist, daß sie die Gottesrechte dem Staat gegenüber einfordert, kommen die Gottesrechte in Dignitatis humanae nur ein einziges Mal vor, nämlich in Art.11 und dort keineswegs als vom Konzil angemahnt, sondern als von Christus angemahnt! Mit der Wegblendung der Gottesrechte wurde - und darauf kommt es hier entscheidend an - auch der Maßstab weggeblendet, den die Gottesrechte für die Menschenrechte setzen, wodurch die Öffnung des Konzils für die von den Gottesrechten entkoppelten Menschenrechte im Sinne des liberalen Staates ermöglicht wurde!

Mit der Eliminierung des allgemeinen Maßstabes zur Begründung von Menschenrechten wurde zugleich das Wahrheitskriterium beseitigt, das zu entscheiden gestattet, ob ein konkretes, als Menschenrecht behauptetes Recht, in Wahrheit ein Menschenrecht ist oder nicht. Gegen diese Vorgehensweise wandten sich zwar glaubenstreue Konzilsväter, verwiesen auf die traditionelle Lehre und machten gemäß dieser Lehre die Gottesrechte geltend, aber letztlich ohne Erfolg. Dignitatis humanae muß als ein Sieg der Vertreter des Revolutionsprinzips angesehen werden und zu diesem Sieg verhalfen ihnen die Konzilspäpste Johannes XXIII. und Paul VI.

Natürlich verzichtete das Konzil auch in dieser Declaratio nicht darauf, seine Traditionsverbundenheit zu beteuern, indem es in Art.1 eine Übereinstimmung mit der überlieferten Lehre behauptete, wovon aber gar keine Rede sein kann. Im Gegenteil, es entwickelte, wie wir zeigen werden, eine der Tradition widersprechende Lehre, wobei die Vertreter des Revolutionsprinzips folgende Strategie wählten:

Sie schränkten den Gesamtkomplex der kirchlichen Lehre über die Religionsfreiheit auf den Teilbereich ein, der die Menschenrechte auf diesem Gebiet zum Gegenstand hat und stellten über den ausgeklammerten Bereich, also die Gottesrechte, welche die Menschenrechte umfassen und für sie den Maßstab setzen, die Behauptung auf, daß die Gottesrechte durch die konziliare Lehre über die Menschenrechte unangetastet blieben. Genau das ist aber falsch, da die neue Lehre über die Menschenrechte massive Eingriffe in die Gottesrechte einschließt, was wir nachweisen werden.

Dieses Vorgehen entspricht ebenfalls der additistischen Denkweise, in der wir den treibenden Motor für die neuen Lehren in den von uns bis dahin untersuchten Konzilsdokumenten erkannten. Das additistische Denkschema, das hinter dem Vorgehen von Dignitatis humanae steht, lautet nämlich: Zum Gesamtkomplex der Religionsfreiheitsproblematik gehören sowohl die Gottesrechte als auch die Menschenrechte, die sich voneinander separieren lassen. Wir behandeln nur die Menschenrechte, so daß der Bereich der Gottesrechte unangetastet bleibt.

Die Verbindung zwischen beiden Bereichen, genauer gesagt, die Abhängigkeit der Menschenrechte von den Gottesrechten, gerät durch dieses falsche, nebeneinandersetzende Denken aus dem Blick. Indem wir diesen Sachverhalt und seine Konsequenzen aufspüren, erbringen wir erneut einen Nachweis für die Richtigkeit der Position von Pfarrer Milch, der in der additistischen Denkmethode das wirkungsvollste Instrument sah, das die Modernisten zur Erreichung ihrer Ziele einsetzten.

Wie schon mehrmals betont, wollen wir nicht nur die überlieferte Lehre der Kirche der des Konzils gegenüberstellen, sondern auch zeigen, welche richtig und welche falsch ist. Bevor wir uns der traditionellen Lehre und anschließend der Lehre von Dignitatis humanae zuwenden, stellen wir Reflexionen an über gültige und ungültige Prinzipien bei der Bestimmung des Verhältnisses von Staat und Kirche sowie über die Prinzipien des liberalen Staates, wobei wir einige Schlüsselbegriffe klären, insbesondere den der Gewissensfreiheit, der in Dignitatis humanae eine große Rolle spielt.

So gerüstet, werfen wir anschließend einen Blick auf die Auseinandersetzung des traditionellen Lehramtes der Kirche mit dem liberalen Staat und untersuchen dann diese Declaratio, wobei wir u.a. den Basissatz der konziliaren und nachkonziliaren Modernisten widerlegen, den man auf die Kurzformel bringen kann: „Nicht die Wahrheit ist Träger von Rechten, sondern nur Personen sind Träger von Rechten.“

Aufgrund unserer Ergebnisse nehmen wir anschließend zur Selbstbeurteilung von Dignitatis humanae Stellung. Dabei bietet sich die Gelegenheit, auf eine Stelle in der Enzyklika Pacem in terris von Johannes XXIII. einzugehen und zu zeigen, daß sie die Weichen für die Lehre der Declaratio gestellt hat.

Schließlich werfen wir noch einen Blick auf die harte Auseinandersetzung um dieses Konzilsdokument zwischen den Vertretern der glaubenskonformen Linie und den Vertretern der revolutionären Linie. Letzteren gelang es eine Lehre durchzusetzen, die zweifelsfrei im Widerspruch zur traditionellen Lehre der Kirche über die Freiheit in religiösen Dingen steht.

Abschließend beschäftigen wir uns mit den Folgen dieses Konzilsdokuments, gemäß unserer generellen Absicht, Zusammenhänge zwischen den Konzilsdokumenten und der nachkonziliaren Entwicklung herzustellen. Wenn es noch eines Beweises bedürfte, daß das Konzil den Selbstzerstörungsprozeß der Kirche einleitete, den Paul VI. später beklagte, dann braucht man sich nur die Tatsache vor Augen zu führen, daß die Vertreter der Kirche, gestützt auf diese Declaratio, in nachkonziliarer Zeit bei den Regierungen der katholischen Staaten vorstellig wurden, um die Abschaffung der Vorrechte der katholischen Religion zu veranlassen, welche in den betreffenden Verfassungen, in Übereinstimmung mit der überlieferten Lehre der Kirche über die Religionsfreiheit, festgeschrieben waren. Die von uns angeführten Beispiele für dieses unverantwortliche Handeln zeigen erneut, daß der Selbstzerstörungsprozeß der Kirche keineswegs nur von im Auftrage der Kirche lehrenden Theologen und ihren Sympathisanten unter den Bischöfen und Priestern betrieben wird, sondern daß das moderne Rom in diesen Prozeß aktiv verstrickt ist. Der Frevel dieses Roms, die Abschaffung der Vorrechte der katholischen Religion zu veranlassen, welche in den betreffenden Verfassungen festgeschrieben waren, hat seine Ursache in der Tat in der Declaratio, weil sie für alle Religionen im Staat dieselben Rechte fordert, so daß dieses Vorgehen in nachkonziliarer Zeit nur konsequent war. Wenn man diese Vorgänge bedenkt, dann klingt es doch wie ein Hohn, daß Paul VI. im Anschluß an Dignitatis humanae die Veröffentlichung dieser Declaratio zur Ehre Gottes gebietet.

Übrigens hat sich das nachkonziliare Rom mit Dignitatis humanae in die Schußlinie der konsequenten Modernisten gebracht. Im Namen der Prinzipien dieser Declaratio verlangen sie eine Umsetzung derselben auch im innerkirchlichen Bereich. Die von ihnen geforderte Reform der Ausübung kirchlicher Autorität sowie die Veränderung der Rechtsstrukturen der Kirche zielen im Sinne der nachkonziliaren Communio-Ekklesiologie auf eine Demokratisierung der kirchlichen Strukturen ab, mit der ihre Verfechter eine Entmachtung Roms erreichen wollen. Wie man sieht, hat die antikatholische Communio-Ekklesiologie nachkonziliarer Prägung nicht nur Wurzeln in Lumen gentium und Unitatis redintegratio, sondern auch in Dignitatis humanae.-

Im IX. Kapitel ziehen wir Bilanz über unsere Konzilsanalyse, wobei wir allerdings die Untersuchung der Liturgiekonstitution, Sacrosanctum concilium, zurückstellen, um sie im anschließenden Kapitel im Zusammenhang mit der Neuen Messe zu behandeln. Um das Ganze unserer Darlegung des Konzils in einer Gesamtschau zu präsentieren und die leitenden Ideen transparent zu machen, lassen wir einen fiktiven Dialog folgen, den zwei vom Modernismus infizierte Konzilsväter am Vorabend des Konzils miteinander führen. Daran schließt sich eine Gegenüberstellung von überlieferter und konziliarer Lehre an, soweit sie Gegenstand unserer Untersuchung waren. Beide Zusammenfassungen enthalten allerdings einen Vorgriff auf die Ergebnisse unserer Untersuchung zur Liturgiekonstitution.-

Zweifellos hat das Konzil auch vieles Richtige gesagt und in den Texten finden sich durchaus gelungene Passagen, die Anerkennung verdienen. Neben diesen stehen aber zwielichtige, ja sogar antikatholische Aussagen, weshalb das Ganze ein ambivalentes Textgebilde darstellt, das ein Spiegel der gegensätzlichen Positionen ist, welche die beiden sich bekämpfenden Gruppen unter den Konzilsvätern vertraten.* Zwar vermied das Konzil einen offenen Eklat vor den Augen der Weltöffentlichkeit, allerdings um den Preis teilweise zwielichtiger bzw. widersprüchlicher Passagen, denn es trug bei der Textgestaltung einmal den Forderungen der Vertreter des Kontinuitätsprinzips und dann wieder den Forderungen der Vertreter des Revolutionsprinzips Rechnung. Indem wir zwei Konzilslinien, eine glaubenskonforme Linie und eine dem katholischen Glauben zuwiderlaufende Linie herausarbeiten, gelangen wir zu dem methodischen Grundprinzip dieser Bischofsversammlung, nämlich Diener zweier Herren sein zu wollen!

Gestützt auf unsere Ergebnisse legen wir dann die Position von Pfarrer Milch zur Frage der Gültigkeit des Zweiten Vatikanischen Konzils dar. Dabei gehen wir auch dem weithin nicht erkannten, geschweige denn gelösten Problem nach, worauf sich denn, inhaltlich gesehen, die Frage nach der Gültigkeit des Konzils als Ganzes überhaupt bezieht.

Nachdem wir durch unsere Untersuchung einschlägiger Konzilsdokumente den Nachweis geführt haben, daß die Lehren des Konzils in vieler Hinsicht nicht mit der überlieferten Lehre der Kirche zu vereinbaren sind und die gravierenden Abweichungen von dieser die Kirche Gottes in eine schwere Krise gestürzt haben, wird sich der Leser vielleicht fragen, warum das Konzil im Innenraum der Kirche denn noch nicht auf den Prüfstand gestellt worden ist. Die Antwort lautet: Weil keine der einflußreichen Gruppen, die im heutigen Innenraum der Kirche das Sagen haben, an der Prüfung des Konzils auf seine Rechtgläubigkeit hin interessiert ist, und zwar aus den Gründen, die wir am Ende unserer Rückblende auf diese Synode darlegen.

In einem Werk über das priesterliche Wirken von Pfarrer Milch muß die Neue Messe eingehend behandelt werden, denn dieser Priester lehnte die neue Liturgie entschieden ab. Dies geschieht im X. Kapitel, wo wir auf seine Argumente gegen den Novus Ordo Missae eingehen. Darüber hinaus untermauern wir seine Position durch eine umfassendere Darstellung der Defekte desselben, wozu er im Rahmen seiner Predigten und Reden keine Gelegenheit hatte. Indem wir seine Argumentation auf eine breitere Basis stellen, sind wir überzeugt, seinen Kampf für die wahre Opfermesse am besten würdigen zu können.

In Übereinstimmung mit unserem bisherigen Vorgehen stellen wir auch bezüglich der Liturgiereform Zusammenhänge mit dem Konzil her, indem wir „Die Konstitution über die heilige Liturgie“, Sacrosanctum concilium, analysieren. Auf diese Weise bestätigen wir zugleich für den Bereich der Liturgie die bereits zitierte Aussage von Pfarrer Milch: „Der Skandal, vergessen Sie es nie, ist das sogenannte Zweite Vatikanische Konzil.“

Bei Sacrosanctum concilium richten wir unser Hauptaugenmerk auf Art. 47, der die Lehre vom Meßopfer zum Gegenstand hat. Um zu einem wohlbegründeten Urteil über diese Lehre gelangen zu können, bedarf es der Vorbereitung. Zunächst beschreiben wir die überlieferte Lehre der Kirche über das hl. Meßopfer in ihren Grundzügen und stellen dieser die Auffassung Luthers von der Abendmahlfeier gegenüber. Daran schließt sich, aus gegebenem Anlaß, ein Exkurs über die Meßopferlehre des Theoretikers der Liturgischen Bewegung, Odo Casel, an, die durch seine Theologie vom Pascha-Mysterium bestimmt ist. Wir zeigen, daß diese Meßopferlehre nicht mit der traditionellen Lehre über das Opfer der Kirche in der hl. Messe zu vereinbaren ist. Zwar bestreitet Casel nicht den Opfercharakter der Messe, aber er vollzieht eine Uminterpretation des Opfers der Kirche, das im Meßopfer stattfindet, und diese Uminterpretation verändert die Funktion des Priesters in „ökumenisch relevanter“ Weise. Hierin sehen wir den Hauptgrund für die Attraktivität dieser Meßopferlehre sowohl für den konziliaren Ökumenismus als auch für die Liturgiekonstitution aus der Sicht der Vertreter der revolutionären Linie unter den Konzilsvätern bzw. ihren Beratern. Kein Geringerer als Johannes Paul II. hat die Lehre vom Pascha-Mysterium als eine Leitlinie der Liturgiekonstitution bezeichnet, was wir am Text bestätigen.

Bei der sich an den Exkurs über die Lehre Casels anschließenden Analyse von Sacrosanctum concilium arbeiten wir eine Vielzahl schwerwiegender Defekte der Liturgiekonstitution heraus, wobei, wie gesagt, unser besonderes Interesse Art. 47 gilt. Leider findet man hier nicht die klaren Formulierungen der diesbezüglichen überlieferten Lehre, die noch Pius XII. in seiner Enzyklika Mediator Dei verwendet hat. Stattdessen wählt, wie wir sehen werden, Art. 47 an der zentralen Stelle eine Formulierung, die eine Interpretation im Sinne Casels nahelegt und diese Interpretation wird von anderen Stellen der Liturgiekonstitution gestützt. Diese Deutung bestätigen auch gewisse Äußerungen des von Johannes Paul II. approbierten Katechismus der katholischen Kirche zu dieser Problematik, die wir zur Untermauerung unserer These anführen, daß Sacrosanctum concilium von der überlieferten Lehre über das Opfer der Kirche im Meßopfer abrückt. Daß die Vertreter des Revolutionsprinzips bei dieser höchst sensiblen Thematik eine doppeldeutige Formulierung wählten, um dieses Abrücken zu verschleiern und auch hier nicht darauf verzichteten, den Schein der Traditionsverbundenheit zu erwecken, paßt in das Bild, das wir von den bereits untersuchten Konzilstexten gewonnen hatten.

Anschließend wenden wir uns der Liturgiereform zu, wobei wir uns zunächst auf den neuen Römischen Kanon beschränken. Dabei nehmen wir die Definition der Messe unter die Lupe, die sich in der Einleitung zu dieser findet und die in ihrer ursprünglichen Form den Bruch mit dem traditionellen Meßverständnis überdeutlich macht. Was die Neue Messe selbst betrifft, kommen gravierende Verkümmerungen, Auslassungen und Fehler zur Sprache. Dann werfen wir einen Blick auf die drei neuen Kanones, die parallel zum Römischen Kanon verwendet werden können; dabei zeigt sich ein zusätzliches Abdriften von der wahren Opfermesse. Schließlich, als dritte Stufe der Abkehr von dieser, erörtern wir die landessprachlichen Übersetzungen des Novus Ordo Missae, insbesondere den Skandal der sinnentstellenden Veränderung der Wandlungsworte in den meisten landessprachlichen Übersetzungen. Vor dem Hintergrund der gewonnen Ergebnisse würdigen wir dann die Kritik von Pfarrer Milch an der Neuen Messe.

Das Kapitel klingt aus mit einer Reflexion auf die Frage der Verbindlichkeit derselben und mit einer Thematisierung ihrer Folgen.-


Zu 3 : Der dritte Teil dieses Werkes ist wie der erste Teil ausschließlich dem priesterlichen Wirken von Pfarrer Milch gewidmet. Weitgehend chronologisch zeichnen wir im XI. Kapitel seinen Weg in der noch immer andauernden Kirchenkrise nach. Anfang der siebziger Jahre wurde ihm voll bewußt, daß ein enger Zusammenhang besteht zwischen dem Niedergang des Erscheinungsbildes der katholischen Kirche und den Beschlüssen des Konzils. Der Leser wird hier Zeuge seines Widerstandes gegen die Glaubenszerstörung, wobei wir drei Phasen desselben unterscheiden. Die erste Phase beginnt mit der Gründung eines pastoraltheologischen Arbeitskreises im Bistum Limburg, in dem Pfarrer Milch die führende Rolle spielte, woran sich ein Jahr später, 1969, sein Eintritt in die Bewegung für Papst und Kirche anschloß, deren Vorsitz er übernahm. Die Ausübung dieses Amtes kann man als den Beginn seiner überregionalen priesterlichen Tätigkeit ansehen. Zumindest in der Anfangszeit dieser ersten Phase war er noch davon überzeugt, daß das Konzil gültige Texte verabschiedet hatte, die von den Modernisten falsch verstanden bzw. absichtlich mißverstanden und mißbraucht werden. Im Laufe dieser Phase seines Kampfes gegen den Modernismus innerhalb der Kirche setzte sich bei ihm aber die Einsicht durch, daß die Bischöfe und das Konzil in diesen Niedergang verstrickt sind, was schließlich zu seinem Austritt aus jener Bewegung im Jahre 1977 führte. In ihr war nämlich keine Kritik am modernen Rom möglich, hatte sie sich doch zur Aufgabe gestellt, diesem Rom den Rücken zu stärken und es bei spektakulären, von konsequenten Modernisten initiierten Vorgängen zu verteidigen. Die Niederlegung seines Amtes als Vorsitzender der Bewegung für Papst und Kirche können wir als den Beginn der zweiten Phase seiner Führung der Gläubigen durch die nachkonziliaren Wirren betrachten. Seine nun offen vorgetragene Kritik an den Bischöfen besteht zunächst schwerpunktmäßig darin, daß diese gegenüber dem Zerstörungswerk der Neuerer untätig bleiben und verschärft sich dann dahingehend, daß sie selbst von den Irrlehren angesteckt sind. Auch das Konzil gerät nun in das Visier seiner Kritik. Mit diesen Angriffen legte er den Grundstein für seine spätere Amtsenthebung.

In dieser Zeit wird das Denken und Wollen dieses Priester hauptsächlich von dem Gedanken beherrscht, Gott, dem Herrn, stellvertretend Sühne zu leisten für die Beleidigungen, die Ihm durch den Einbruch des Modernismus in Seine Kirche zugefügt werden. Deshalb gründet er 1972 die bereits erwähnte Gebets-und Sühnegemeinschaft actio spes unica. Ihr sollten sich alle anschließen, die gewillt waren, mit ihm ihr Dasein in den Dienst stellvertretender Sühneleistung zu stellen und diesen Willen durch das Gelübde zu besiegeln, täglich, wenn möglich vor dem Allerheiligsten, eine halbe Stunde für die Rettung der Kirche zu beten, das Gebet zum heiligen Erzengel Michael zu verrichten und jeden Freitag zu fasten. Als er dann aber die seelische Not sah, in welche die Gläubigen immer mehr gerieten, die den unverfälschten Glauben bewahren wollten, öffnete er 1974 die Sühnegemeinschaft auch für solche, die sich zwar nicht durch ein Gelübde verpflichten wollten, aber dennoch bereit waren, ihr Dasein in den Dienst der Rettung der Kirche zu stellen.

In diese zweite Phase fallen die Glaubenskundgebungen in Wiesbaden (1977) und Koblenz (1978) mit den großen Reden, die er anläßlich derselben hielt und die wir dem Leser zur Kenntnis bringen.

Diese zweite Phase ist durch eine kräfteverschleißende Auseinandersetzung mit Bischof Kempf gekennzeichnet, die mit der Amtsenthebung endete. Pfarrer Milch befand sich damals in dem Dilemma, einerseits den Gläubigen St. Martinus zu Hattersheim als Hort des katholischen Glaubens erhalten zu wollen, andererseits mußte er sich um der Wahrheit willen, in Wort und Tat so äußern, daß er sein Amt als Pfarrer dieser Gemeinde aufs Spiel setzte. Um die Pfarrei so lange wie möglich halten zu können, machte er einige Konzessionen, die ihm Vorwürfe von konservativen Gläubigen eintrugen, die aus der Position von existentiell nicht Betroffenen, die keine Verantwortung für die Pfarrei zu tragen hatten, natürlich leicht Maximalforderungen stellen konnten.

In dem Maße wie er nun das Versagen der Bischöfe anklagt, tritt in seinen Schriften und Reden als herausragendes Gegenbild die Lichtgestalt von Erzbischof Lefebvre hervor. Sein Bekenntnis zu dessen Wort und Werk führt schließlich zu seiner Suspendierung, mit der die dritte Phase seiner Auseinandersetzung mit dem innerkirchlichen Modernismus und der Führung der Gläubigen beginnt, die bis zu seinem Hinscheiden im Jahre 1987 andauert.

Auch in der dritten Phase seines Kampfes gegen die Glaubenszerstörung erwarteten ihn harte Auseinandersetzungen, abgesehen von den materiellen Sorgen. Zwar war er fortan nicht mehr den Angriffen der Modernisten und des Bischofs ausgesetzt, dafür mußte er sich aber gegen Gruppierungen innerhalb der Widerstandsbewegung wenden, wobei er sich gelegentlich auch persönlichen Vorwürfen ihrer Vertreter ausgesetzt sah. Man muß eben bedenken, daß viele in diesem Lager den Problemen, die mit dem Konzil und in der nachkonziliaren Zeit auf sie zukamen, geistig nicht gewachsen aber leider vom Gegenteil dieser Tatsache überzeugt waren. So wundert es nicht, daß sich in dieser Gegenbewegung ein breites Spektrum von Meinungen hinsichtlich der Beurteilung der kirchlichen Lage ausbildete, an dessen einem Ende sich die Halbkonservativen befanden, die dem modernen Rom die Stange hielten und an dessen anderem Ende die Sedisvakantisten standen, die behaupteten, daß der Papst und die Bischöfe im offiziellen Raum der Kirche durch Häresie bzw. Apostasie ihres Amtes verlustig gegangen seien.

Pfarrer Milch war eine Anlaufstelle für Repräsentanten aller dieser Strömungen und da er die Briefe, die ihn in großer Anzahl erreichten, nicht alle persönlich beantworten konnte, nahm er häufig in seinen spes-unica-Briefen zu den betreffenden Problemen Stellung, weshalb diese auch als ein Spiegel der Vielfalt der Positionen betrachtet werden können, die es nach wie vor gibt.

So gerieten einige seiner Briefe aus dieser dritten Phase zu großen Lehrbriefen. In diesen geht es nicht nur um die Vertiefung des Glaubenswissens und die Analyse der Ursachen der heutigen Kirchenkrise, sondern er versucht auch mit großer Energie und Wortgewalt die Gläubigen zu Gebet und Opfer dafür zu bewegen, daß die von ihm so oft beschworene totale Wende in der Kirche beschleunigt herbeigeführt werde. Höchst eindringlich stellte er dem Einzelnen vor Augen, daß sein Einsatz unverzichtbar sei und er seinem Leben eine ungeahnte Bedeutung geben könne, wenn er sein Dasein gerade jetzt, in dieser existenzbedrohenden Krise der Kirche, für die Belange des Reiches Gottes einsetze.

Abgesehen davon, daß wir auch bei der Darstellung dieser Phase seines Widerstandes gegen die Selbstzerstörung der Kirche seine spes-unica-Briefe auswerten, fügen wir in den Text weitere seiner Schriften ein, die er zur Belehrung und Stärkung der Gläubigen verfaßte, die der Leser aber auch einzeln von der actio spes unica beziehen kann.

Viele Abschnitte dieses größten Kapitels haben die Abgrenzung gegen Fehlpositionen zum Gegenstand. So widerlegen wir mit Pfarrer Milch die gängige Ansicht, daß es in der heutigen Kirchenkrise um ein Tauziehen zwischen konservativen und progressiven Kräften geht. Dabei ergibt sich, worauf er aus den dort dargelegten Gründen großen Wert legte, daß die mit Sicherheit zu erwartende Wende in der Kirche aus einem einzigen Akt des obersten Hirten bestehen wird, wogegen sich die Durchführung der Wende nach und nach vollziehen wird.

Sodann schildern wir die Kontroverse dieses Priesters mit dem Sedisvakantismus, woran wir einen Exkurs über die Philosophie der Kirche anschließen. Im folgenden Abschnitt kann der Leser erfahren, wie Pfarrer Milch Wort und Werk von Erzbischof Lefebvre verteidigte und seine eigene Position einerseits gegenüber den halbkonservativen Verteidigern des moderne Roms und andererseits gegenüber den Sedisvakantisten abgrenzte.

Gestützt auf unsere Ergebnisse ziehen wir dann Bilanz in einem längeren Abschnitt, dem wir die Überschrift Zur angemessenen Einstellung gegenüber dem modernen Rom gegeben haben, und mit dem wir dem Leser in der kontrovers geführten Debatte zu diesem Thema sichere Wegweisung geben wollen.-

Die Hinwendung dieses Seelsorgers galt in besonderem Maße den Außenstehenden bzw. denen, die der innerkirchliche Modernismus dem katholischen Glauben entfremdet hatte sowie den Jugendlichen, was die entsprechenden Passagen aus den anschließend von uns zitierten spes-unica-Briefen ebenso verdeutlichen wie zwei kleinere Schriften von ihm, die wir ebenfalls abgedruckt haben.

Wir beschließen dieses Kapitel mit Auszügen aus spes-unica-Briefen, die erneut zeigen, daß Pfarrer Milch den Gläubigen starken Trost spenden und sie in einzigartiger Weise zum Einsatz für die Belange des Reiches Gottes begeistern konnte.

Im XII. Kapitel findet der Leser Gebete, Gedichte und Hymnen, die dieser Priester verfaßte und die nicht nur seine Stärke im Inhaltlichen dokumentieren, sondern ihn auch als einen Meister der deutschen Sprache ausweisen.

Das Schlußkapitel enthält weitere Ausführungen zu seiner Biographie und schildert die tragischen Umstände seines Hinscheidens.




* Die Bezeichnungen von Kassetten zur jeweiligen Thematik sind in Klammern angegeben.

* Pfarrer Milch, spes-unica-Brief vom 9. November 1986.



* Johannes Paul II.: „Die Schwelle der Hoffnung überschreiten“, Hamburg 1994, S. 173 f. Der Schluß des Zitates läßt erkennen und der Konzilstext bestätigt es, daß die Preisgabe des katholischen Absolutheitsanspruches durch das Konzil zugleich die Grundlage des konziliaren Ökumenismus ist.


* Vgl. R. M. Wiltgen, S.V.D.: „Der Rhein fließt in den Tiber", Feldkirch 1988.